Rinder statt Rüttgers
Die CDU schürt bewusst die AusländerInnenfeindlichkeit in Deutschland
In den letzten Tagen kam die Shell-Studie zur Entwicklung der Jugend in
Deutschland heraus. Durch die Medien geisterte, dass dabei
herausgekommen sei, dass ein Viertel der deutschen Jugendlichen
ausländerfeindlich sei. Das war zwar eine Ente, weil ein paar
übereifrige JournalistInnen die Statistiken nicht recht lesen
konnten. An dem Phänomen einer latent existenten Feindlichkeit
gegenüber Fremden in diesem Land ändert dies allerdings nichts. Sie ist
vorhanden und vielfach wahrnehmbar: beim Zuhören in der Straßenbahn
oder auf Partys der Eltern, beim Mitlesen in InternetDiskussionsforen,
beim Lesen der BILD-Schlagzeilen.
Offene Fragen bei der GreenCardDebatte
Jüngster Auslöser war die Green-Card-Idee der Bundesregierung, nach der
sowas um die 30.000 ausländische IT-SpezialistInnen in Deutschland eine
befristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten sollen. Dass dies viele
Fragen aufwirft, ist klar. Wie passt diese Öffnung mit dem kaum noch
existenten Grundrecht auf Asyl zusammen? Wie kann man ernsthaft denken,
diese Aufenthaltsgenehmigung befristen zu können? Was ist ein
IT-Spezialist und was nicht? Kommen wirklich Spitzenkräfte oder
BilliglohnprogrammiererInnen? Welche Konsequenzen zieht die
Bildungspolitik aus dem erkannten Manko? Usw.
Eine große "Volkspartei" in Deutschland stellt nur eine Frage: Wie
komme ich an mehr WählerInnenstimmen bei der nächsten Landtagswahl? Und
prompt zaubert sie ein plattes Motto aus der Schublade: "Kinder statt
Inder", Pumuckl lässt grüßen.
Für die CDU sehen die Umfragen schlecht aus
In Nordrhein-Westfalen ist Wahlkampf, und für die CDU sieht es schlecht
aus. Von der Spendenaffäre ist sie immer noch gebeutelt, es ist nicht
gelungen, Rühes magere 35% in Schleswig-Holstein als Erfolg zu
verkaufen. Die Wählenden verzeihen der Partei, die immer die große
Klappe in Richtung Law-and-Order schwang, ihre skandalöse Spendenpraxis
nicht, sie liegt in den Umfragen weit zurück. So ähnlich, wie es vor
einem Jahr in Hessen auch aussah.
Damals initiierte die CDU jene Unterschriftenkampagne gegen die
doppelte Staatsbürgerschaft, in der sie auf der Straße hemmungslos die
BürgerInnen "gegen Ausländer" unterschreiben ließ. Auf den Zetteln
standen zwar weniger verfängliche Worte, aber die CDU gab dem deutschen
Kleinbürger das Gefühl, es sei in Ordnung, gegen AusländerInnen zu
sein; sie, die Partei der Einheit, sei es ja auch. Und das Spiel ging
auf: die CDU gewann die Landtagswahl in Hessen, RotGrün verlor seine
Bundesratsmehrheit, das überfällige neue Staatsangehörigkeitssrecht kam
nicht zu Stande.
Rüttgers beschwört Ressentiments gegen Fremde
Diesen "Erfolg" will Jürgen Rüttgers in NordrheinWestfalen jetzt
wiederholen. Kaum verhohlen werden Ressentiments gegen AusländerInnen
beschworen: Die nehmen unseren Kindern die Arbeitsplätze weg! Das will
die CDU den Leuten in die Köpfe rammen - bei 4 Millionen Arbeitslosen
könne man keine AusländerInnen ins Land holen. Und am Ende brächten die
noch ihre Familien mit und vermehrten sich!
Platte Argumente, die an jedem Stammtisch begeistert aufgenommen
werden. Es wird nicht ansatzweise versucht zu erwähnen, dass die
Ausbildung geeigneter Fachkräfte in Deutschland einige Jahre dauern
würden Ewigkeiten in der schnelllebigen IT-Branche oder dass die 4
Millionen Arbeitslosen eben alles sind, aber keine
IT-ExpertInnen. Differenzierung? - es ist doch Wahlkampf!
Für "Kinder statt Inder" gab es ausreichend Schelte von Opposition und
Medien. Jetzt startete Rüttgers aber auch noch eine Postkarten- und
Plakataktion mit dem nur unwesentlich diplomatischeren Motto "Mehr
Ausbildung statt mehr Zuwanderung". Mehr Ausbildung, gerne - die
Vernachlässigung der IT-Branche ist sicherlich ein Versäumnis der
Bildungspolitik in der Mitte der 90er Jahre, in denen der zuständige
Bundesbildungsminister - bingo - Jürgen Rüttgers hieß. Dass der damals, in
der Rückbetrachtung der Gipfel der Lächerlichkeit, als
"Zukunftsminister" betitelte Rüttgers heute mit einem Missstand in den
Wahlkampf zieht, den er selbst maßgeblich zu verantworten hat, ist
allein schon eine Frechheit sondergleichen. Und doch zielt seine
Strategie nur darauf ab, aus dem gefährlichen Mix aus Arbeitsplatz- und
Fremdenangst Kapital in Form von Stimmen zu schlagen. Die Botschaft,
die Rüttgers streut, ist einfach: "Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg
- keine Ausländer ins Land!"
Die CDU zeigt erneut, dass es ihr nur um eins geht: um Macht. Dabei ist
es vollkommen egal, ob das auf dem Rücken der ausländischen
MitbürgerInnen oder des Grundgesetzes geschieht. Im Kampf um die
Regierung offenbart die CDU erneut eine Skrupellosigkeit, bei der einem
nur schlecht werden kann.
Die Union macht Ausländerhass in Deutschland hoffähig
Die Union macht den Ausländerhass in Deutschland hoffähig. Kochs
Unterschriften, Rüttgers Postkarten, dazu noch die unverhohlenen
Sympathiekundgebungen von Edmund Stoiber gegenüber der offen
ausländerfeindlichen Haider-FPÖ - die Richtung ist vorgegeben. Im Moment
brennen in Deutschland keine AsylbewerberInnen-Heime, aber Gewalt gegen
Fremde ist immer noch vorhanden, und die latente Ausländerfeindlichkeit
in den Köpfen ist nicht weniger schlimm. Im letzten Jahr ist die Anzahl
rechtsextrem motivierter Straftaten um 5,4% gestiegen, davon richtete
sich die Hälfte gegen AusländerInnen. Und wenn die nächste Shell-Studie
wirklich eine vorhandene AusländerInnenfeindlichkeit in der Jugend
aufzeigen sollte, werden die CDU-PolitikerInnen sich nicht fragen,
inwieweit sie das selbst zu verantworten haben, sondern betroffen sein
und dies verurteilen. Brutalstmöglich, versteht sich.
Im Interesse unserer Gesellschaft kann man nur hoffen, dass Rüttgers in
Nordrhein-Westfalen eine Abfuhr erhält, die sich gewaschen hat und für
immer von der politischen Bildfläche verschwindet. Deutschland braucht
VerantwortungsträgerInnen - keine Brandstifter.
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