pflichtbewusstsein auf dem glühweinmarkt

"castor-transport", usta-magazin 11/99, dezember 1999


 

Immer wieder kommen Leute zu mir, wollen ein Hanuta und meinen, ich sollte doch mal über was Nettes schreiben. Deshalb widme ich mich heute einer der tollsten Errungenschaften des Karlsruher Stadtlebens: dem Glühweinmarkt.

Auf dem Glühweinmarkt wird kontrolliert Alkohol an die Bevölkerung abgegeben, und die Bevölkerung muss das trinken. Ich geh da pflichtbewusst jetzt auch jeden Tag hin. Die Leute da sind alle sehr nett und werden nur dann ausfällig, wenn man sie anrempelt. Oder ansieht. Oder rumsteht. Am liebsten mag ich die Frauen mit den Astronautenjacken, den halben Autoreifen unter den Füßen und den KSC-Kappenträgern an der Hand, die gehen immer so drollig.

Apropos drollig: Was ich nicht verstehe, ist, warum nicht alle Häuschen Glühwein verkaufen. Ich habe mir den andern Kram, der da feilgeboten wird, mal angesehen, konnte aber nicht einsehen, warum ich mir drei Schnüre mit eingearbeitetem Holzkegel kaufen soll. Oder Bröselwurzeltee aus Niederländisch-Antillen. Der größte Blödsinn aber: ein Tontöpfchen mit der Aufschrift "Senf", in dem noch nicht mal Senf drin war, dafür so kleine gelbe Kügelchen. Dabei gibts Senf doch sowieso immer in Gläsern.

Einmal habe ich zuviel Gühwein getrunken und mir im Suff von einem blonden Mädchen in einem braunen Häuschen so ein Ding aus Balsaholz aufschwätzen lassen, mit dem die Gumbo-Indianer Nüsse knacken. Oder Wäsche waschen, ich weiß es nicht mehr, ich habe das Teil eh direkt beim Karussellfahren verloren. Aber der Erlös war für irgendwas Soziales, ich glaube "Ärzte machen Atomkrieg" oder so.

Beim Karussell muss man spät kommen, dann sind die ganzen Kinder nämlich schon betrunken und wollen nicht mehr. Die stören das Erlebnis enorm, weil die natürlich noch nicht so professionell sind. Ich fahre am liebsten mit dem Postauto. Gestern habe ich mir mal ein paar Briefe mitgenommen, damit es authentischer wird. Und morgen wage ich mich mal in die Rakete. Wenn ich meinen Helm finde.

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(c) Lutz Frommberger, dezember 1999

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