Ich bin ein guter Mensch. Ich habe ein Herz aus Gold und halte für
jeden ein warmes Wort oder einen mitfühlenden Rat bereit. Ich bin
bescheiden und demütig, und ich helfe, wo ich nur kann. Deshalb mag ich
es auch besonders, wenn jeden Oktober die Erstsemester an unsere Uni
kommen und ich sie mit meiner Unterstützung in ihrer schwierigen
Anfangszeit beglücken kann. Und gleichzeitig ist es ein Geben und ein
Nehmen - was lernt man nicht alles von unseren neuen Kommilitoninnen
und Kommilitonen?
Leider war ich dieses Jahr nicht mehr so viel an der Uni, und so konnte
meine Hilfe nicht einer breiten Masse zuteil werden. Es waren nur
wenige Begebenheiten, die mich in Kontakt mit unseren Nachwuchs-Studis
brachten. Zum Beispiel der Geoökologe, der sich bei mir, vor der Mensa
stehend, nach der Mensa erkundigt hat. Dem habe ich natürlich geholfen
und gesagt, er soll jemand anders fragen. Das war sehr nett von mir,
denn ich hätte ihn auch auslachen können - und vielleicht hätte er das
nicht gut verkraftet. Wir waren ja schließlich alle mal so. Jung. Und
dämlich. Oder die Architektin, die allen Ernstes nach Sprachkursen
gefragt hat. Der habe ich direkt mal eine Studienplatztauschbörse
emfohlen. Sprachkurse. In Karlsruhe. Da kann sie ja gleich zur
Volkshochschule gehen, kostet genauso Geld und ist genauso für'n Arsch.
Aber so richtig helfen konnte ich dem Informatiker, der von mir wissen
wollte, wo man den so hingeht, wenn man "mal so richtig Spaß haben"
will. Also ich kann mir viel übles Zeug vorstellen, aber was dem so
richtig Spaß macht, will ich lieber gar nicht wissen. Also habe ich
ihm anheim gestellt, dass er besser nicht dahin geht, wo ich
hingehe. Denn so wie er aussieht, würde er mir sofort so richtig den
Spaß verderben, wenn er da aufkreuzt. Den Rat hat er dankbar
angenommen. Und weil er doch ein bisschen traurig ausgesehen hat, habe
ich ihm direkt noch meine kaputte Netzwerkkarte und ein Arlt-Prospekt
geschenkt. Da kann er mit seinem Kumpels sicher ein paar nette Abende
mit verbringen. Falls er überhaupt Kumpels hat. Aber wenn der irgendwo
welche finden sollte - dann hier.
Und ich habe auch selbst wieder etwas gelernt von unseren neuen
Kommilitoninnen und Kommilitonen. Und zwar von diesem Rindvieh am
Cola-Automaten. Der hat mir erstens ausgiebig demonstriert, dass die
Dinger kein Zeitlimit haben, und zweitens, dass man auch die Karte erst
nach der Auswahl einführen kann - und es trotzdem funktioniert. Das
wusste ich nicht. Echt nicht. Seitdem mache ich das auch so, jeden
Mittag: erst wählen, dann die Karte rein. Das ist total was Neues,
jeden Tag wieder spannend, und diese unerwartete Abwechslung trägt mich
hoffentlich durch das triste Wintersemester. Bis die neuen Erstis
kommen und mein Herz erwärmen mit dem dankbaren Lächeln, das meine
weisen Ratschläge auf ihr Gesicht zaubern.
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